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Flugzeugdramen und andere Geschichten

  • sunnythursday
  • 22. Dez. 2015
  • 4 Min. Lesezeit

Endlich! Nach fast 40 Stunden bin ich am Ziel angekommen: Nueseeland, Südinsel, Goldenbay, Takaka. Von diesen 40 Stunden habe ich knapp vier Stunden mit Schlafen verbracht, rund acht Stunden habe ich mit Warten auf Anschlussflüge totgeschlagen, zwei Stunden lang dauerte die Autofahrt von Nelson nach Takaka und die restlichen bescheidenen 24 Stunden habe ich die Welt von oben gesehen, meinen Arsch wundgesessen und meine Augen mit unzähligen Filmen rotgeglotzt. Grundsätzlich bin ich ein Mensch, der eher wenig mit Zahlen anfangen kann und sich aus Prinzip nicht gerne mit ihnen befasst. Doch ab und zu - so selten diese Momente auch sein mögen – verspüre ich diesen Drang, gewisse Dinge in Zahlen festzuhalten und darzustellen. Einfach um ein Bild vom Ausmass eines Ereignisses zu bekommen. Meistens handelt es sich bei diesen Ereignissen um Reisen: Wenn ich wissen will, wie viel Kilometer ich während eines Road-Trips hinter mir gelassen habe oder wie viel Benzin ich dafür gebraucht habe. Oder wenn es mich interessiert, wie viel Stunden mein Po auf ein und dem selben Sitz verbringen musste. Dabei ertappe ich mich manchmal beim Gedanken an mögliche Folgen: Was bedeutet das lange Sitzen für den sonst von Natur aus eigentlich gewölbten Hintern? Wird er ab jetzt so flach bleiben wie er sich anfühlt? Aber solche Gedanken schleichen sich nur dann in meinen Kopf, wenn ich mir über alles andere den Kopf schon zu genüge zerbrochen habe und mir einfach nichts mehr einfällt, worüber ich nachdenken könnte. Denn während einer Reise von der Schweiz auf das genau gegenüberliegende Flecklein Erde habe ich auf einmal unglaublich viel Zeit nachzudenken. Auch wenn es Filme gibt, die mich mehr oder weniger erfolgreich vom Grübeln abgehalten haben, kommt irgendwann der Moment, an dem ich mir selbst einen freundlich gemeinten Arschtritt verpasse und mich zum Schlafen überzeugen will. Und um tatsächlich schlafen zu können, gilt es, alle elektronischen Geräte wegzulegen, die Augen zu schliessen und versuchen Schafe zu zählen, um dann irgendwann in einen eher unruhigen und vor allem unglaublich unbequemen Schlaf zu verfallen, welcher gefühlte 100 Mal von einem Posenwechsel unterbrochen wird, um zu versuchen eine einigermassen bequeme Schlafposition zu finden (was gar nicht so einfach ist). Zudem hatte ich das Glück am Gang zu sitzen. Und immer dann, wenn ich das Gefühl hatte, jetzt endlich einschlafen zu können, musste Mister neben mir auf die Toilette, stupste mich vorsichtig an und raubte mir schlussendlich das letzte bisschen Schlaf, das ich hätte ergattern können. Somit verbrachte ich mehr Zeit damit, versuchen zu schlafen, als es tatsächlich zu tun. Und während diesen kläglich scheiternden Versuchen hatte ich eben diese Zeit, um meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Ich hatte also Zeit zum Nachdenken. Über alles und über nichts. Und genau da schlichen sich manchmal diese oben erwähnten Po-Verformungs-Gedanken auf.

Ich hatte das Fliegen immer so schön in Erinnerung und bin immer gerne in ein Flugzeug gestiegen. Ja, fliegen kann ganz schön viel Spass machen, muss es aber nicht: Je länger der Flug, desto stärker der Wunsch, nach einer Störung im Triebwerk und eine anschliessende Notlandung (sofern die Störung am Triebwerk das überhaupt noch zulässt). Nach sechs Stunden beginnen dir die Beine zu schmerzen, nach weiteren zwei Stunden ist dir das Filmegucken auch schon verleidet und nach weiteren Stunden kannst du den Geruch im Flugzeug auch nicht mehr aushalten. Denn irgendwie hat sich eine seltsame Mischung aus Essen, Schweiss, stinkenden Füssen und einem Lüftli aus den sechs WC-Kabinen zusammengebraut. Der Eine oder Andere hat Mundgeruch (was irgendwie logisch ist, wenn man keine Zähneputz-Möglichkeit bekommt), ab und zu Pupst noch ein Kind, dem es scheissegal ist, dass es im Flugzeug bald so riecht wie auf einem Bauernhof. Ganz im Gegenteil, bei diesem Kind kommen dann Gefühle von Freude auf, weil es ja so gerne auf dem Bauernhof ist, Kühe streichelt, Katzen quält und die Hasen im Gehänge herumjagt. Wie dem auch sei, was ich damit sagen will ist, dass ein solcher unglaublich-mega-krasser-Langstreckenflug immer so toll und spassig beschrieben wird, so hatte ich ihn ehrlich gesagt auch in Erinnerung. Doch die Wahrheit sieht trotz allem etwas anders aus. Entweder es ist zu kalt oder es ist zu warm im Flugzeug, mit der Zeit bringt jegliches Filmegucken nichts mehr, es ist dir trotzdem langweilig, Schlafen ist mehr Anstrengung als Entspannung und eben, irgendwann liegt da so ein spezielles Düftli in der Luft. Dann schmerzen dir die Beine, Turbulenzen lassen dein Herz stillstehen und dein Po wird ganz wund...

Nach fast 40 Stunden verschiedenster Torturen steh ich dann endlich am irgendwie schönsten Ort der Welt. Noch nie war die Natur so schön, noch nie die Luft so sauber, noch nie hab ich mich so sehr nach Sport gesehnt, selten hatte ich ein grösseres Bedürfnis zu Duschen und ich glaube diese Nacht werde ich so richtig, wirklich richtig gut schlafen. Bevor ich mich aber auf mein Isomättäli begebe, bevor ich in einen lang ersehnten und hoffentlich sehr erholsamen Schlaf falle, muss ich der Müdigkeit noch einige Stunden den Kampf ansagen, noch einige Stunden die Augen mühsam offen halten und versuchen wach zu bleiben. Denn was ich auf keinen Fall will, ist eine Woche mit dem Jetlag zu kämpfen zu haben... Aber das wird mir vermutlich gar nicht so schwer fallen. Denn all die Eindrücke, die bereits jetzt auf mich einprasseln, all die Erinnerungen die geweckt werden, jetzt wo ich auf dem Grundstück meines Vaters wieder vor meinen Augen erscheinen, lassen mich so schnell nicht schlafen. Zuerst möchte ich all die Orte wiederentdecken, die ich zuletzt vor mehr als zehn Jahren gesehen hatte. Bevor ich mich auf eine Reise durch Neuseeland begehe, möchte ich eine Reise durch meine Erinnerungen machen. Und diese Reise beginnt hier, in Neuseeland, Südinsel, Goldenbay, Takaka, genauer R.D. 2 Takaka-Collingwood Highway.


 
 
 

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© 2015 by Cynthia.

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