Von West nach Ost
- sunnythursday
- 17. Jan. 2016
- 5 Min. Lesezeit
Die bisher schönste Strecke war zwischen Haast und Queenstown, mit einem Abstecher über Jackson Bay. Es gab keinen einzigen Moment, in dem wir gelangweilt die Landschaft an uns vorbei ziehen liessen. In Jackson Bay - einer kleinen und eher versteckten Bucht - erwartete uns das blauste Meerwasser, das ich je gesehen hatte. Wüsste ich es nicht besser, würde ich denken, ich wäre irgendwo auf den Malediven. Nur wenige Touristen verirrten sich nach Jackson Bay, wer die mehr als 50 km bis zur Bucht fahren wollte, musste den genau gleichen Weg zurück nehmen. Somit wird Jackson Bay nur von jenen Besucht, die sich entweder des Zeitaufwandes nicht bewusst sind oder einfach unglaublich viel Zeit haben. Wir gehörten zu ersteren. Dankbar, dass wir etwas naiv nach Jackson Bay fuhren, erwartete uns jenes erwähnte kitschig-blaue Wasser und eine malerische Landschaft. Abgesehen von einem kleinen Steg, an dem ein paar alte Fischerboote anlegen und einem Bus, der zu einem Café ausgebaut wurde hat es wenig vom Menschen gemachtes. Nur noch einige einsame Häuser und ein Track der zu einer kleinen Bucht führt, zieren zusätzlich den Ort. Ansonsten kann man einfach den atemberaubenden Ozean geniessen, den Wind durch die Haare gleiten und die Haut von der Sonne wärmen lassen. Zurück in Haast machten wir uns auf den Weg ins Landesinnere, Richtung Wanaka. Der Haastpass ist eine enge und kurvendurchzogene Strasse mit vielen kleinen Aussichtspunkten. Die Route gilt als unfallreich, was ich durchaus verstehen kann. Denn erblickt man die ersten Berge und das gesamte Naturspektakel, fällt es einem schwer, sich auf die Strasse zu konzentrieren. Zudem scheint die geschlängelte Strasse ideal, um etwas mit dem Auto und dem Gaspedal zu spielen.
Und dann gibt es unterwegs noch diese unglaublichen Blue Pools, die noch blauer als das Blau von Jackson Bay sind. Die Lust reinzuspringen - trotz der eher kühlen Lufttemperatur - steigt von null auf 100. Tippt man vorsichtig mit dem Zehen in das irreal wirkende Blau um noch einen letzten Temperaturcheck zu machen, sinkt die Lust rein zu springen allerdings augenblicklich wieder von 100 auf null. Direkt von den Bergen wo noch Schnee liegt kommt das Wasser in diesem Becken zusammen und dem entsprechend kalt ist es auch. Egal, so etwas sieht man nicht alle Tage, also keine Ausreden und rein ins kühle Nass. Wieder draussen erwarten einem abertausende von Sandflies. Und bevor man sich wieder in die langen Hosen quetschen kann hat man schon zahlreiche weitere Stiche auf der bereits von Bissen übersähen Haut. Eine Geschichte besagt, dass als Gott die Sandflies geschaffen hat, um die schönsten Orte der Welt zu beschützen. Mit diesem Hintergedanken lassen sich diese Viecher und die Folgen ihrer Stiche tatsächlich viel besser ertragen.
Den Haastpass hinter uns und vor uns die trockene Berglandschaft von Wanaka. Aus den zuvor saftigen Wiesen und den grünen Wäldern wurde eine von der Sonne goldgelb gebrannte Landschaft, felsig, trocken aber deshalb nicht weniger beeindruckend. Wanaka ist der Ort, an dem die Einheimischen oft ihre Ferien verbringen. Dies ist durchaus verständlich: Beeindruckende Seen und wunderschöne Berge, steile Hänge und zerklüftete Felswände zieren die Landschaft. Am See werden Standup-Paddels von braungebrannten Surfermädchen verkauft, in den Bars sitzen junge Männer und trinken kühles Bier. Und trotz des Ferien-Flairs, den man hier verspürt, hat man doch das Gefühl, irgendwo im Nirgendwo zu sein. Sich jederzeit zurückziehen zu können, keine Menschenmengen antreffen zu müssen, sondern nur einige gemütlich eingestellte Einheimische, die ihre Ferien geniessen. Etwas schwermütig verlassen wir nach zwei Tagen diese Gegend um weiter ins Landesinnere zu dringen, zu jener Stadt, die als Abendteuerstadt schlechthin bezeichnet wird: Queenstown. Die Fahrt dorthin war so beeindruckend, wie die Fahrt von Haast nach Wanaka: Kurvenreich, über halbhohe Pässe, durchzogen von atemberaubenden Aussichtspunkten. Unterwegs noch schnell einen Hitch-Hicker aufgegabelt und anschliessen rein ins Abenteuer. Queenstown ist nicht wirklich gross und trotzdem waren wir zu Beginn etwas überfordert. Nach Tagen in der Natur, kaum Menschen, kaum Touristen, kaum Läden oder Entertainment waren wir in Queenstown und wurden von alledem überflutet (noch lange nicht vergleichbar mit Schweizer Städten). Wo wir zu Beginn unter einem leichten Kulturschock litten, gewohnten wir uns doch sehr schnell an das uns eigentlich vertraute Umfeld von Läden, Touristenshops, Clubs und grösseren Shoppingmalls. Unser Campingplatz lag 12 km ausserhalb von Queenstown und somit konnten wir uns nach einem Tag im Getümmel der Stadt ins Grüne zurückziehen, dort wo sich Hase und Fuchs gutenacht sagen. Aber eines wollte ich mir nicht entgehen lassen: In der Stadt, die den Bungee Jump gewissermassen erfunden hat, wollte ich mich unter diese etwas verrückten Menschen mischen, die sich aus 100 Metern oder noch mehr in die Tiefe stürzen. Nicht etwa um sich das Leben zu nehmen. Nach acht Sekunden freiem Fall zerrt das an den Füssen festgebundene Gummiseil und zieht deinen fallenden Körper wieder nach oben um anschliessen noch einmal in die Tiefe zu sausen. Nach gut 30 Sekunden ist der ganze Spass dann allerdings vorbei und man wird gemütlich nach oben gezogen, wo die anderen verrückten Menschen warten, bis sie an der Reihe sind und sich ins Abendteuer stürzen können. Ja, zu diesen Menschen habe ich auch gehört. Ab auf die Sprungplatte, nicht nach unten schauen, auch nicht warten bis das Crew-Mitglied auf drei gezählt hat, sondern schon bei zwei springen, bevor ich es mir noch anders überlegen kann. Und dann mit einem ziemlich schnell verstummenden Schrei in die Tiefe stürzen. Nach ungefähr zwei Sekunden ging mir die Luft aus und aus dem Schrei wurde ein leises Wimmern. Und während diesem freien Fall, wo mich nichts hält und ich einfach von der Schwerkraft nach unten gezogen werde, da habe ich mich schon gefragt, warum ich so etwas Dummes mache. Warum bezahle ich dafür, mich in die Tiefe zu stürzen, das schreckliche Gefühl zu haben, man würde in einigen Momenten einfach auf den Boden klatschen und dort wie Tomatenpüree liegen bleiben, weil ich für einen kurzen Augenblick das Vertrauen in das Gummiseil verloren hatte. Ich spürte nichts ausser dem Wind der an mir vorbeizog. „Tschau läbe, und du zahlsch no defür...“, das ging mir durch den Kopf. Erst als sich meine Geschwindigkeit langsam drosselte, - bevor ich auf dem Boden aufschlug - das Gummiseil langsam in die Länge gezogen wurde und mich schliesslich zurück nach oben schleuderte, erst dann traute ich dieser Sache wieder. Gummiseil noch ganz, ich noch am Leben, ist doch alles super! Nachdem meine Stimme wieder zu funktionieren schien, konnte ich wieder aus voller Kehle schreien und die Schwünge geniessen. Fast etwas traurig wurde ich nach einer viel zu kurzer Zeit wieder nach oben gezogen und der ganze Spass war vorbei. Auf der Plattform angekommen wurde ich jubelnd empfangen, als hätte ich gerade die Welt vor dem Untergang gerettet. Und erst dann wurde ich mir des Ausmasses meines Sprunges bewusst. Mein Grinsen auf dem Gesicht musste Zoe vermutlich den ganzen Tag ertragen. Obschon ich für Sky Diving auch noch zu haben gewese wäre, musste ich leider darauf verzichten. Die Wolken sträubten sich dagegen, für mich den Weg frei zu machen und mich mit einem blauen Himmel zu beschenken. Somit viel der Sprung aus dem Flugzeug vorerst ins Wasser. In Auckland vielleicht, oder sonst wo - wer weiss. Aber nun galt es unser Zelt abzubrechen, welches übrigens auch nicht mehr ganz so fit ist, wie auch schon. Mittlerweile müssen wir es mit Tape zusammenflicken, um uns anschliessen unter dem etwas kümmerlichen Zelt einrichten zu können. Zelt einpacken, von Queenstown abschied nehmen und wieder in Richtung Küste fahren. Dunedin, die Stadt der Studenten, das sollte unser nächstes Ziel sein.








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