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Lake Rotoiti - erster, aber bestimmt nicht letzter Track

  • sunnythursday
  • 8. Jan. 2016
  • 5 Min. Lesezeit

Nachdem wir die kleine Stadt Nelson nach zwei Tagen mehr oder weniger gesehen hatten, zog es uns weg von den Menschenmengen und hinein in die einsame Natur. So beschlossen wir den regnerischen Tag zu nutzen, um einige Stunden im Wagen zu verbringen und nach St. Arnaud zu fahren. Ein kleines Örtchen nahe eines Nationalparks. Dieser wird in den Reiseführern als klein und eher untouristisch beschrieben, deshalb aber nicht weniger sehenswert. Genau so etwas suchten wir: Klein und vor allem mit möglichst wenig Menschen. Dort angekommen schüttete es nach wie vor aus Kübeln. Das tat der Schönheit der Umgebung aber keinen Abbruch. Im Gegenteil. Der See umhüllt von dünnem Nebel, tief gelegenen Wolken und einem kühlen Wind wirkte irgendwie mystisch. Wir beschlossen die erste Nacht auf einem Zeltplatz zu verbringen um anschliessend am nächsten Morgen zu früher Stunde mit dem Schlafsack und genügend Proviant loszuziehen. Unser Ziel war es, ein Mal um den See herum zu laufen: Auf halben Weg in einer Hütte zu übernachten und am nächsten Tag die zweite Hälfte zu machen. Nach einer eher schlaflosen Nacht, weil der Wind unaufhörlich an den Wänden des Zeltes riss und der Regen wie Trommelschläge auf das schützende Zeltdach hämmerten, wurden wir dann am nächsten Morgen vom unaufhörlichen Klingeln meines Weckers geweckt. Noch immer riss der Wind an den Zeltwänden und ich spürte, wie er sich kühl und eklig in den Schlafsack schlich. Noch immer hörte ich leisen Regen, der auf unser Zelt niederprasselte. Schon befürchtete ich, dass wir den zweitägigen Track in strömendem Regen umlaufen würden. Falsch gedacht. Das angebliche Tröpfeln, dass ich gehört hatte, waren „nur“ Sandflies, die versuchten unser Zelt in beschlag zu nehmen, an den Zeltwänden allerdings scheiterten. Und da war zwar dieser eisige Wind, aber über uns strahlend blauer Himmel und die Sonne, die vorsichtig hinter den Bergen hervor guckte. Mit besserem Wetter konnte man kaum gesegnet sein. So packten wir also unsere sieben Sachen und machten uns auf den Weg. Bei Sonnenschein wirkte die Umgebung wie verwandelt. Die Wälder in sanftes Grün getaucht, das Wasser klar, fast schon durchsichtig. Ein kleiner Weg, unterbrochen durch winzige Bäche und Wurzeln die überall ihre Stolperfallen verteilten. Der Weg hatte etwas märchenhaftes. Wären da nicht diese verdammten Sandflies. Solange man sich in Bewegung befand, liessen einem diese Sausieche mehr oder weniger in Ruhe. Sobald man aber mal eine kurze Pause einlegen wollte um die Aussicht zu geniessen oder ein schluck Wasser in die ausgetrocknete Kehle zu schütten, waren sie da. Sie umwirbeln deine Füsse, suchen nach ungeschützten Körperstellen um dich anschliessend, mit ihren klienen, hässlichen Stechmäulern zu attackieren und einen Haufen eklig-beissender Stiche zu hinterlassen. Einzige Lösung: In Bewegung bleiben und alles was geht in diesem bewegten Zustand zu erledigen: Essen, trinken, Fotos schiessen etc. Eingepackt wie im tiefsten Winter (um uns wenigstens ein Bisschen von diesen Viechern zu schützen) und in nahezu ständiger Bewegung gingen wir unseren Trail. Nach ungefähr vier Stunden hatten wir das Ende des Sees erreicht und vor uns erstreckte sich ein langes grünes Tal. Hohe Gräser und einige abgestorbene Bäume hatten die zuvor so saftigen Wälder abgelöst und nur innert weniger Kilometern eine neue Umgebung gestaltet. Nun hatten wir die Wahl: Entweder zwei weitere Stunden zu laufen um den Fluss, welcher sich zu unserer Rechten befand, über eine Hängebrücke zu überqueren, oder den kürzeren Weg direkt durch den Wasserlauf watend zu nehmen. Wir entschieden uns für letzteres, ohne zu wissen, ob die Idee wirklich gut war. Denn nach einem Tag und einer Nacht Regen war der Fluss höher und der Strom kräftiger als üblich. Wir suchten uns die am wenigsten Tief scheinenden Stellen um den Fluss möglichst schnell und unverletzt zu durchqueren. Das Wasser war eiskalt, kam direkt von den Bergen, welche noch mit Schnee bedeckt waren. Und die Strömung war tatsächlich eher unangenehm und versuchte uns die Steine unter den Füssen wegzutragen. Es war ein erbitterter Kampf. Ich hier. Zoe dort. Dass Wasser überall. Es versuchte uns niederzureissen. Packte uns an den Füssen. Wir schlugen es zurück. Es griff wieder an. Und dann... Dann siegten wir. Niedergeschlagen gab das Wasser auf und erlaubte uns zu passieren. Nass bis zu den Hüften, mit knallroten und abgefrorenen Beinen schafften wir es schlussendlich über den Fluss und hatten somit wertvolle 60 Minuten gespart. Aber vor allem hat das Überqueren viel mehr Spass gemacht, als wenn wir einfach über die Brücke spaziert wären. Und dann hatten wir auch endlich unsere Hütte erreicht. Glücklicherweise gehörten wir zu den Ersten, die die Hütte an diesem Tag erreichten und hatten somit mit Sicherheit einen bequemen Schlafplatz auf einem der zwölf Betten. Dort angekommen, rissen wir uns die Schuhe von den Füssen und liessen unsere Füsse atmen und unsere Kleider von der Sonne trocknen. Und wenig später machten wir die Bekanntschaft mit Bo. Mit seiner Angelrute kam er aus dem Wald geschlendert, spazierte zum kleinen Steg, der vor uns lag, spazierte wieder zurück und als könnte er Gedankenlesen quatschte er uns an: „Lust auf einen guten Fisch?“ Das war nicht seine erste Frage, aber es war die wichtigste Frage. Natürlich hatten wir Lust auf Fisch. Und ganz nebenbei kam dann noch heraus, dass er ebenfalls Schweizer war. Und wir Schweizer halten zusammen, denn wir sind fast schon eine Seltenheit auf der Insel. Die Deutschen tummeln sich, es hat auch viele Franzosen oder Israelis. Aber einen Schweizer haben wir noch keinen getroffen. Somit verbrachten wir den Abend mit ihm, kochten gemeinsam und tatsächlich hat Bo es geschafft, einen anständigen Fisch aus dem See zu fischen. Diesen haben wir anschliessen über dem Feuer grilliert und als Nachspeise zu einem heissen Tee und einer Abendzigarette vernascht. Die Hütte füllte sich allmählich und zu später Stunde waren alle zwölf Betten belegt und leises Schnarchen von allen Seiten durchbrach den sonst so stillen Ort.

Am nächsten Morgen galt es wieder alles zusammen zu packen, sich von den anderen Hikern zu verabschieden und den zweiten Teil unserer Route zu absolvieren. Wir hatten nach wie vor strahlendes Wetter und konnten somit unseren Track so abschliessen, wie wir ihn begonnen hatten. Nach fünf Stunden waren wir zurück am Ausgangspunkt unserer Wanderung. Zelt wieder aufstellen, Schlafplatz vorbereiten und Nachbaren kennenlernen. Deutsche, keine Überraschung. Wir beschlossen zusammen Z’nacht zu kochen und anschliessen vielleicht den Sonnenuntergang auf dem nahegelegenen Berg zu geniessen. Daraus wurde allerdings nichts. Pläne machen lohnt sich in Neuseeland nicht, es kommt ganz bestimmt etwas dazwischen. Als wir mit den Pfannen zu hantieren begannen und uns zum Kochen ausbreiten wollten, tauchte Bo auf und lud uns kurzerhand zu seinem Geburtstagsessen ein. Geburtstagskinder gehen vor, also liessen wir die zwei eben erst kennengelernten Deutschen alleine weiterkochen, entschuldigten uns tausend Mal und machten uns auf den Weg zum nahegelegenen und einzigen Restaurant der Region. Es war ein angenehmer Abend, für ein Mal mussten wir nach dem Essen nicht noch einen Abwaschmarathon absolvieren sondern konnten einfach aufstehen und alles so hinter uns lassen, wie es war. Neben all dem Schnick-Schnack den wir in St. Arnaud erlebten, ist es ein unglaublich schöner Ort: Wenig Menschen, viel Natur, atemberaubende Kulissen und ein alles in allem sehr schöner Nationalpark, den ich so schnell bestimmt nicht vergessen werde. Blaues glasklares Wasser, tropenartiger Wald, kleine steinige Wege und immer wieder eine Quelle oder ein Flüsslein, das aus dem Track ein Wasserbad verwandeltee. Und nachts einen Himmel mit so viel Sternen, wie ich sie noch nie in meinem Leben gesehen habe. Nach diesen zwei Tagen hab ich beschlossen, dass ich wandern so richtig gern habe. Ich habe beschlossen, dass ich ganz bestimmt nicht das letzte Mal hier war. Und ich habe beschlossen, dass ich irgendwann einmal ganz Neuseeland auf dem Te Araroa Trail durchqueren werde. Grosse Pläne für ein kleines Mädchen. Aber wer einmal hier war, wird mich verstehen. Gell Zoe...?



 
 
 

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© 2015 by Cynthia.

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