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Von Aktivisten, die Bäume fällen und Sonnenuntergängen, die das Herz berühren

  • sunnythursday
  • 4. Feb. 2016
  • 5 Min. Lesezeit

Auckland ist eine verhältnismässig grosse Stadt. Man kann sie mit keiner anderen Stadt Neuseelands auch nur ansatzweise vergleichen. Einige Kilometer bevor man Christchurch, die grösste Stadt der Südinsel, erreicht, wird aus dem zwei spurigen Highway ein vier spuriger Motorway. Das gleiche passiert in Dunedin. Abgesehen davon trifft man eher selten eine vierspurige Strasse an. Hie und da bietet sich eine Überholspur, da und dort können langsame Vehikel links raus fahren. Auf der Nordinsel hingegen ist das etwas anders. Viele Kilometer bevor man Auckland erreicht, stauen sich schon die ersten Autos, der Motorway zieht sich, verläuft während einer eher langer Zeit auf mehreren Spuren. Verkehrschaos ist vorprogrammiert. Neuseeland – sprich Auckland – ist nicht vorbereitet für einen solchen Verkehr, kommt deshalb mit den vielen Vehikeln auf den Strassen nicht klar und ist überlastet. Wie dem auch sei, ich vermute euch interessiert das Verkehrs-Gelabere nicht wirklich. Abgesehen vom Verkehr hat Auckland viel Schönes zu bieten. Im Gegensatz zu Christchurch hat die Stadt wirklich so einiges im Angebot. Zunächst ist die Lage recht beeindruckend. Die Stadt ist auf einem Arsenal erloschener Vulkane aufgebaut, jeder der einzelnen Hügel welche in die Höhe schiessen, stellen einen „toten“ Vulkan dar. Zudem befindet sich Auckland an der so ziemlich am schmalsten Stelle ganz Neuseelands. Es gibt wohl wenige Plätze auf dieser Welt, die einem die Möglichkeit geben, die West- und Ostküste gleichzeitig sehen zu können. Steht man auf dem One Tree Hill sieht man zur Linken die Westküste, zur Rechten die Ostküste, dazwischen die Stadt, die sich über die gesamte Breite erstreckt. Das mit dem One Tree Hill ist auch so eine Sache: Ganz schön, dort oben zu stehen, die Stadt, welche zu deinen Füssen liegt, die Häuser – wie kleine Legowürfel – erstrecken sich bis ins weite Nichts. Fokussiert man aber seinen Blick auf die nähere Umgebung, fragt man sich, wo denn hier dieser Baum sein sollte, welcher dem Hügel seinen Naben gab. Ursprünglich gab es diesen einen Baum, der ganz alleine auf der Kuppel stand und den Ort zu einem besonderen machte. Aber dann kam dieser Aktivist, wollte ein Zeichen setzen und fällte den Baum kurzer Hand. Jetzt ist er weg. Es gibt noch ein paar andere Geschichten über Aktivisten, die irgendwelche Bäume zerkleinerten, um so für einen kurzen Augenblick Aufmerksamkeit geniessen zu können. So viel zum One Tree Hill. Dann ist da noch der Hafen, welcher mir wohl am besten gefiel. Von da aus sieht man auf den endlosen Ozean, dort eine kleine Insel – ein weiterer erloschener Vulkan, der aus dem Wasser ragt. Dreht man sich um, erblickt man die Stadt in ihrer vollen Grösse. Hochhäuser türmen sich, irgendwo dazwischen ist der Skytower, welcher dank seiner ausergewöhnlichen Architektur auffällt und der Stadt einen amerikanischen Touch gibt. Für einen kurzen Moment hat man tatsächlich das Gefühl, nicht mehr in Neuseeland zu sein, sondern das Land verlassen zu haben und stattdessen irgendwo in den USA zu sein. Das Gefühl verschwindet allerdings schnell, sobald man die Stadt hinter sich lässt und in Richtung Norden fährt. Nach einem Picknick an einem der Strände nahe Aucklands, bei Abendsonne und wehendem Wind, nach einem vollen Tag in der Stadt, mit Museumbesuch und somit kultureller Weiterbildung, dem besten und teuersten Eis, einem Spaziergang durch den botanischen Garten und einem weiteren durch die belebte Hauptstrasse Aucklands, nach einer ersten Begegnung mit dem Verkehrschaos verliessen wir schlussendlich die Stadt. Mit unserem weissen Flitzer (der leider nicht ganz so flitzig unterwegs ist, wie unsere geschätzte Olivia) rasten wir über die Harbour Bridge auf dem Northern Motorway in Richtung Einsamkeit. Naja, so einsam waren wir dann doch nicht. Aber endlich gab es wieder schöne National-, bzw. Regionalpärke, Strände, die nicht voll von Menschen und Wanderwege, welche kaum in Gebrauch waren. Unser Plan war, während den letzten 18 Tagen unserer Reise, alles etwas ruhiger zu nehmen. Mehr Strände und weniger Tracks, mehr braun werden, weniges schwitzen. Aber ja, wie das mit Plänen so ist... Im Moment sehe ich eher aus wie eine Milchschnitte: Beine braun, Grossteil meines Oberkörpers weiss, fast schon grell leuchtend , Arme und Kopf wiederum braun. Nicht gerade optimal, aber ich habe definitiv besseres zu tun, als mich den ganzen Tag in der Sonne zu bräunen. Zudem erlaubt es das Ozonloch über Neuseeland gar nicht. Entweder man wagt es trotzdem und liegt sich an die pralle Sonne, dann wird man aber rot wie ein Krebs und bekommt vermutlich auch ganz schnell Krebs. Oder man liegt in den Schatten, wird nicht Rot, dafür aber legt sich ein zartes Braun auf die Haut. Da es aber im Schatten eher kühl ist, gibt man auch das relativ schnell wieder auf und verzichtet ganz auf das ich-möchte-braun-werden Theater. Auch das mag euch eher weniger interessieren. Kommen wir also zu wichtigeren Dingen: Die Wolken. Zoe meinte ziemlich früh einmal, die Wolken in Neuseeland seien irgendwie anders als jene in Europa. Sie sind tief und so speziell und so flach und komisch und sowieso. Aotearoa nennen die Maoris ihr Land. Das Land der langen, weissen Wolken. Der Name könnte wohl nicht passender sein. Es gibt Momente, da sitzen wir einfach da, starren in den Himmel und bewundernd ihn, als hätten wir noch nie einen gesehen. Morgens ist die Luft unglaublich klar, mittags ist der Himmel weit, endlos, abends wird er dunstig, die Wolken sind schmierig und nachts, da ist er übersäht mit winzig wirkenden Sternen. Als hätte jemand einen Pinsel genommen und unzählige leuchtende Punkte auf den schwarzen Hintergrund getupft, als hätte er so grossen Spass daran gehabt und damit nicht mehr aufhören wollen. Bevor dieses unendliche Sternenmeer aber auftaucht, beobachten wir jeweils so einige atemberaubende Sonnenuntergänge. Da war dieser eine, vor einigen Tagen, an einem Strand mit pechschwarzem Sand. Kaum waren wir dort angekommen, begann die Sonne sich langsam im Meer zu baden, ging immer tiefer, bis sie schlussendlich hinter den Wellen abtauchte. Was sie zurückliess, war ein blutroter Himmel, einige wenige Wolken, die sich im stillen Wasser spiegelten. Irgendwann wurde das Rot wässrig, wandelte sich in ein sattes violett, umgeben von den verschiedensten Blautönen. Und ich kann mich an solchen Schauspielen kaum satt sehen. Die Farben tanzen, das Licht flackert und die Luft scheint still zu stehen. Es gibt Menschen, die besuchen andere Länder und orientieren sich dabei am Himmel. Sie wissen, dass sie nicht zu Hause sind, wenn der Himmel sich verändert hat, irgendwie anders ist, speziell, flach, komisch und sowieso.


Einige Tage später sitzen wir im Haus von der Schwester des Ehemannes einer Bekannten von Zoes Familie, unser Zelt im ihrem Garten aufgestellt, den Bauch gefüllt mit selbstgemachten Schweizer Rösti – mit extra viel Käse – und müden Augen. Wirklich viel Zeit bleibt uns nicht mehr in Neuseeland. Und irgendwie freue ich mich, bald wieder in das Flugzeug zu steigen, meine Freunde und Familie zu sehen, echten und guten Käse essen und hoffentlich etwas Schnee in den Händen halten zu können. Und gleichzeitig bin ich traurig darüber, bald dieses wunderschöne Land verlassen zu müssen. Nicht mehr auf meinem kaputten Mätteli in meinem kaputten Zelt schlafen zu können. Nicht mehr die gleiche Unbeschwertheit und Gelassenheit geniessen zu können. Nicht mehr endlose Diskussionen mit Zoe führen zu können. Stattdessen zurück in den Unialltag geschmissen zu werden, mich mit meinem alten Leben abgeben zu müssen. Aber wenn ich gar nicht klar kommen sollte, stell ich einfach das Zelt in meinem Schweizer Zimmer wieder auf, nehme mein Mätteli, packe die Unbeschwertheit und Gelassenheit und lasse dafür mein altes Leben einfach im Schrank vor sich her gammeln.


Bis es aber so weit ist, geniesse ich noch meine letzten Tage hier. Denn wir haben noch richtig viel vor. Und wenn es dann tatsächlich zu Ende geht, dann verlass ich zwar ein Land, das mir richtig ans Herz gewachsen ist, nehme dafür aber einen Rucksack voll von Erfahrungen mit, die ich auf keinen Fall zurücklassen werde. Ich bin nicht nur eine Milchschnittli geworden, ich habe auch sehr viel über mich gelernt, bin ein Bisschen särker geworden, ein Bisschen mehr zu dem Menschen, den ich akzeptieren und schätzen kann und habe jetzt einer Portion mehr Vertrauen in mich und meine Träume gewonnen...






 
 
 

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