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Von der Yacht bis ins Flugzeug

  • sunnythursday
  • 17. Feb. 2016
  • 8 Min. Lesezeit


Unsere letzten Tage waren gespickt von atemberaubenden Stränden, wunderschönen Campingplätzen, morgendlichem Schwimmen im blauen Meereswasser und langen Sonnenbäden. Diesmal wussten wir es aber besser: Sonnen unter dem Ozonloch ist eine sehr bewusste Art von Sonnen und muss ganz speziell gehandhabt werden. Nach einigen Sonnenbränden und eher schlechter Erfahrung mit der gnadenlosen Kraft der Strahlen, hatte ich ein Bewusstsein für einen genügend soliden Schutz der Haut entwickelt. Mein Taktik lautete folgendermassen: Mindestens Schutzfaktor 50 und mindestens drei Schichten davon, alle zwei Stunden. Geschützt von einer milchigen Schicht konnte ich meine letzten Tage tatsächlich ohne einen einzigen Sonnenbrand überstehen. Dafür schlug ich mir meine Lippe an der Autotür auf und jetzt sehe ich etwas gebotoxt aus. Aber eher schlecht gebotoxt. Nun ja, abgesehen davon keine weiteren Unfälle, was ich sehr schätze. So komme ich also tatsächlich an einem Stück nach Hause, sofern ich den Flug heil überstehe. Ich habe mir für den Rückflug Stützstrümpfe gekauft und spiele mit dem Gedanken, mir noch ein Füddlipolster anzuschaffen. Aber kommen wir zu wichtigeren Dingen: Unsere letzten Tage. Ja, die waren wie gesagt erholsam: „Bizli brun wärde uns so...“


Nachdem wir der Küste entlang Richtung Bay of Islands – der Heimat der Maoris – hochfuhren, entschieden wir uns für einen Trip der Extraklasse. Auf einem Segelboot sollten wir die Bucht und dessen Inseln erkunden. Das Wetter machte uns für ein Mal keinen Strich durch die Rechnung und beglückte uns mit blauem Himmel und strahlender Sonne. Als wir am Hafen von Russell ankamen erblickten wir nach kurzem Suchen unser kleines elegantes Gefährt. In leuchtendem Weiss und mit hohen Mästen begrüsste uns die stolze Yacht namens Vigilant. Begleitet von eifersüchtigen Blicken im Rücken bestiegen wir das Boot, kurz darauf stach es in See. Mit uns an Board ein Kapitän, eine Matrosin und rund ein halbes Duzend andere glückliche Gesichter. Mit einer Geschwindigkeit von vier Knoten brach das Schiff durch die Wellen, bewegte ganz nach den Regeln der Meeres, geführt vom Winde in den Segeln. Vor uns einige kleinen Inseln, links und rechts die sich langsam öffnende Bucht, bewachsen von exotischen Bäumen und Pflanzen. Nach nur wenigen Minuten Fahrt, begrüssten uns die ersten Meeresbewohner. Gemütlich schaukelten zwei schwarze Punkte auf der Wasseroberfläche. Umso näher das Boot den Flecken kam, desto deutlicher wurden die Umrisse, bis ich schlussendlich die winzigen wellenreitenden Pinguine endlich erkennen konnte. Sie wirkten etwas verloren, solch kleine Wesen auf einem unendlichen Blau. Diese Pinguine gehören zu den kleinsten ihrer Art, selbst ausgewachsene werden nicht grösser als eine handelsübliche 1.5 l Flasche Coca Cola. Kaum hatten wir den süssen Dingern „hoi“ gesagt, schnell ein Foto geschossen, dann wieder „tschüss“ wurden wir von einer Gruppe verspielter Delfinen in Empfang genommen. Zuerst einer, dann ein zweiter und dritter Delfin sprang aus dem Wasser, sie zeigten ihre stolzen Körper, bis sie von den Wellen wieder verschluckt wurden. Immer wieder tauchte eine Flosse auf, mal da, mal dort. Fehlte nur noch, dass ein Wal aus dem Wasser hüpft und uns seine mächtige Flosse vor die Linse hält. Wir waren nicht schlecht beeindruckt von den Meerestieren, die sich um unsere Yacht tummelten und konnten kaum genug von den Unterwasserschönheiten bekommen. Nach der durchaus gelungenen Überraschung näherte sich die Viligant langsam einer einsamen Bucht: Goldgelber Sand, dahinter ein buschiger und dichter Wald, davor das türkisfarbene Wasser. Ein Traum. Das Boot legte Anker, wir hüpften ins Wasser und schwammen zur Bucht um dort die Insel zu entdecken, wie es damals James Cook tat, mit Schnorchel und Taucherbrille ausgestattet in den Tiefen des Wassers nach verborgenen Schätzen zu suchen und uns auf unseren viel zu kleinen Strandtüchern zu schmeissen, unsere weissen Bäuche der Sonne entgegenschtreckend. Die Zeit schien still zu stehen und doch verging sie viel zu schnell. Unsere Segelrundfahr nahm ein jähes Ende als wir zurück am Hafen ankamen, das Schaukeln durch den unbeweglichen Boden des Steges ersetzt wurde, der angenehme Fahrtwind wegblieb und nur noch die brennende Sonne auf unsere Schultern knallte. Erschöpft und einige Töne brauner als zuvor suchten wir uns einen schönen Campingplatz – natürlich in Meeresnähe – warfen uns auf die weichen Mätteli und schliefen mit roten Wangen, müden Augen und dem leisen Rauschen des Meeres in den Ohren ein.


Für ein mal durfte ich Beifahrer sein, musste nicht selbst am Steuer sitzen und die schöne Landschaft an mir vorbei ziehen lassen, ohne sie richtig in mich aufsaugen zu können. Nicht dass ich ungerne fahren würde, allerdings ist es tatsächlich eher schwierig, fast unmöglich, das Naturschauspiel gleichermassen geniessen zu können, wie wenn man die Freiheit eines Beifahrers hat. Ich kann nicht einfach mal die Küste nach irgendwelchen Tieren absuchen, oder die Häuser, die an mir vorbei ziehen genau betrachten. Alles muss schnell gehen, kurz einen Blick dahin, kurz einen Blick dorthin, hauptsächlich aber die Augen auf der Strasse ruhend lassen. Nun, heute war es etwas anders. Vor mir stand dieser Transporter, ein Gefährt mit riesigen Rädern, der Kapazität über 60 Tonnen an Gewicht schleppen zu können und einer Windschutzscheibe, die einem eine Panoramasicht ermöglichte. Ein ehemaliger Lastwagen, umgebaut zu einem tüchtigen Touristengefährt, welches mit 100 km/h über den Ninety Mile Beach rasen wird, sollte uns zum routinierten Bädele und den eingeübten Strandspaziergängen mal etwas Abwechslung bieten. Und ich hatte die Ehre, einen Grossteil der Strecke neben dem eingeübten Truckerfahrer zu sitzen, während dem er Geschichten über die Maoris, den unendlichen Strand und die Sanddünen erzählte. Und uns mit einem Lied und einigen lustigen Sprüchen bei Laune hielt. Bei Laune halten, das musste er im Grunde gar nicht. Die spektakuläre Landschaft unterhielt uns mehr als genug. Zuerst fuhr der Brummer auf dem unendlich lang scheinenden Strand. Links die Tasmansea, rechts Sanddünen, mit im Winde sanft wehendem Gras bewachsen. Und vor uns – so weit das Auge reichen konnte – eine Sandbahn, glatt und goldig, bis ans Ende des Horizontes. Nach ungefähr 40 Minuten Fahrt, schlugen die Räder nach rechts um und wir verschwanden auf einem ungewohnt engen und eher nassen Sandweg hinter den Dünen. Von Weitem hatten wir die hohen und steilen Sandansammlungen schon erblickt. Wie Berge ragte das weisse Gold in den Himmel und erstreckte sich bis weit ins Landesinnere. Nach nur wenigen Minuten holpriger Fahrt durch ein Flussbett erreichten wir den Fuss einer solchen beeindruckenden Ansammlung von Sand. Ich hatte das Gefühl, mich in der Wüste zu befinden. Weit weg von jeglichem Wasser, weg von jeglicher Zivilisation. Wären da nicht diese anderen Touristen, welche sich vor den „Bergen“ ansammelten und das Rauschen des Meeres aus der Ferne zu hören. Simon – so hiess unser Fahrer – hopste aus der Fahrerkabine, forderte uns auf, unsere bequemen Sitze zu verlassen um die Sanddünen hautnah mit zu erleben. Und mit hautnah meine ich auch hautnah. Er drückte den Gewillten ein Sandboard in die Hand und gab Anweisungen, wie man mit dem Plastikding die Hänge hinuntersausen kann. Gesagt, getan. Einige versuchen es mit einem Snowboard in der wohl eher schneearmen Schweiz, ich dagegen befinde mich in meinen kurzen Hosen, bei 24 Grad und Sonnenschein auf der Spitze eines Sandberges, werfe mich auf das Brett und rase den Hang hinunter. Unten angekommen bin ich zwar voll Sand, so richtig voll Sand: In den Ohren finde ich noch lange nach dem Spass welchen, im Mund hab ich auch knirschenden Sandkörner. Auch wenn es keinen Lift gibt, der einem nach oben bringt – der Aufstieg ist unglaublich mühsam – und auch wenn anschliessend drei Tage später noch Sand hinter den Ohren klebt, hat sich das Abenteuer allemal gelohnt.

Nach der sandigen Unterhaltung ging unsere Fahr weiter. Simon pfiff uns alle zurück in seinen Lastwagen und bald darauf sauste das Gefährt weiter in Richtung Norden. Unser Ziel war Cape Reinga, einer der nördlichsten Punkte Neuseelands. Dort wo der Pazifik auf die Tasmansea trifft, dort wo der Ninety Mile Beach endet, markiert durch einen kleinen, schmucken Leuchtturm.

Die Rückfahrt erfolgte am Nachmittag, diesmal auf der „normalen“ Strasse. Die Flut war angestiegen, ermöglichte es keinen Fahrzeugen auf dem Strand zu fahren. Wenn man vom Meer also nicht verschluckt werden wollte, dann sollte man sich lieber für den null-acht-fünfzehn Weg entscheiden. Und Strasse heisst ja auch nicht gleich Strasse. Ich sass neben Simon, fühlte mich wie ein König auf seinem Thron. Von der Fahrerkabine aus wirkten alle Autos, die an mir vorbeifuhren, irgendwie mickrig, klein und süss. Ich genoss den Panoramablick, den ich sonst während dem Fahren nicht habe, das Versinken in Träume, was ich sonst nicht zulassen kann, das Beobachten der Umgebung, das Hinterherschauen, das Augenschliessen und den Fahrtwind trotzdem zu spüren. All das geht eben nur, wenn man nicht selbst am Steuer sitzt. Müde und erschöpft von den vielen Eindrücken, die ich an diesem Tag gewonnen hatte, freute ich mich schon darauf, bald wieder an einem Strand zu liegen, auf dem zu kleinen Tüechli, dem Ozonloch über und dem kühlen Nass vor mir.


Ein letztes Mal Fish and Chips, direkt am Strand, so richtig neuseeländisch. Wir sassen also da, genossen unser Mittagessen und starrten auf das Wasser, vertieft in unsinnige Gespräche, die Sonne im Rücken. Bis plötzlich ein Fisch aus dem Wasser sprang. Er war riesig. Viel zu gross für einen Fisch. Verdattert schüttelte Zoe den Kopf. Das sei ein Orca gewesen, meinte sie überrascht. Ich konnte es nicht glauben. Hier ein Orca? Ich verdrehte die Augen, liess es aber dabei. Dennoch sprangen wir von unseren Sitzen, in der Hoffnung, das Tier würde sich ein weiteres Mal erblicken lassen. Wir rannten am Ufer entlang auf einen Steg zu, als das Tier erneut an die Wasseroberfläche kam. „Ein Orca!“, schrie ich verdattert, schüttelte Zoes Arm und glotzte unentwegt auf das majestätische Wesen. Zoes Klugschiesserblick sagte alles: „Hab ich’s doch gesagt!“

Meine Augen blieben auf dem ruhigen Wasser ruhen, wissend, dass sich das Tier noch ein drittes Mal zeigen wird. Und tatsächlich. Wenige Sekunden später tauchte zuerst die Rückenflosse, dann der gesamte Rücken und schlussendlich der Kopf aus dem Wasser. Dicht gefolgt von einer weiteren Rückenflosse, einem weiteren Rücken und einem weiteren Kopf, alles einfach nur halb so gross. Ich konnte es kaum glauben. Ich hätte im Leben nicht damit gerechnet, hier einen Killerwal zu sehen. Kiwis, ja. Delfine auch. Vielleicht einen Blauwal. Mal einen Pinguin. Ganz viele überfahrene, zerquetschte, vermanschte und blutige Opossums. Einige lustige Vögel. Aber doch keinen Killerwal! Dankbar für die gelungene Überraschung, dankbar für den gelungenen Tag und das unerwartete Erlebnis hüpften wir zurück zu unseren Plätzen, genossen die letzten Bisse, schleckten ein letztes Mal die salzigen Finger ab, bevor wir Opononi verliessen. Und mit der kleinen Ortschaft, die wir hinter uns liessen, wussten wir, dass unsere Reise unaufhörlich dem Ende näher kam. Denn unsere nächste Destination sollte Auckland sein, anschliessend eine letzte Nacht nahe des Flughafens, damit wir auch ja unseren Flieger erwischen. Jetzt sitze ich hier, am Flughafen, ein Cappuccino vor mir, ein letztes Mal neuseeländischen Boden unter den Füssen. Wir müssen uns von Oliver – unserem weissen, etwas hässlich geratenen Gefährte – verabschieden, auch von den wunderschönen Wolken müssen wir abschied nehmen, vom atemberaubenden Sternenhimmel, dem unvergesslichen Meer, von den überfahrenen Opossums, von den Kiwis, den Kiwis und den Kiwis. Etwas traurig ist es schon, denn ich hatte eine unglaubliche Zeit in einem unglaublichen Land verbringen dürfen. Und ich glaube Neuseeland trauert auch etwas um uns. Denn seit gestern weint der Himmel, lässt seine Tränen über das Land ergiessen, bläst mit wütendem Wind durch Dörfer und Städte, als wolle er uns auf seine ganz persönliche Art und Weise tschau sagen, Abschied nehmen von uns. Und nicht zuletzt möchte uns dieser wohl auf die kalten Temperaturen in der Schweiz vorbereiten. Dankbar atme ich einen letzten grossen Atemzug voll neuseeländischer Luft ein, behalte sie in meinen Lungen, bis ich die Schweiz erreiche und lasse sie erst wieder frei, wenn ich in meiner Wohnung stehe. So habe ich immer noch etwas süss-saltzige Meeresluft aus Neuseeland bei mir. Ein besseres Souvenir gibt es kaum.


Und kurz bevor ich in mein Flugzeug steigen werde, sage ich dann mit einem Grinsen im Gesicht: „Uf widerluege und bis bald!“









 
 
 

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© 2015 by Cynthia.

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